Am 02.05.2018 habe ich meinen Hartz-4-Antrag abgeholt um ihn genau eine Woche später, am 09.05.2018, im Jobcenter abzugeben. Die Formulare bestanden aus einem Hauptantrag und 11 Anlagen, oder anders ausgedrückt wurden von mir 34 Seiten ausgefüllt, in ca. 10 Stunden. Zusätzlich dazu musste ich 104 Seiten Belege als Kopien hinzufügen und somit kam unser Hartz-4-Antrag auf stolze 138 Seiten. Wer also meint, alle, die Arbeitslosengeld II beziehen sind blöd oder faul, dem muss ich widersprechen. Schon das Ausfüllen des Antrages bedarf einer gewissen Intelligenz und vor allem großer Sorgfalt.
Der Hauptantrag mit 11 Anlagen, vor dem Ausfüllen.
Nachweise und die Frage nach dem Sinn
Die große Anzahl an Kopien kommt so zustande, da das Jobcenter vieles mehrfach belegt haben möchte. Es reicht als Nachweis für die Miete z. B. nicht nur der Mietvertrag, sondern es wird dann auch eine Mietbescheinigung benötigt und der Kontoauszug der letzten Mietzahlung. Warum das Jobcenter eine Schulbescheinigung von mir für den Großen fordert ist mir auch nicht so klar, denn wir haben in Deutschland Schulpflicht. Da kommt ja keiner drum rum. Auch die Sinnhaftigkeit des Nachweises, dass ich 2003 geschieden wurde entgeht mir völlig. Ich sollte hier sogar Aussagen machen zu Adresse, Geburtsdatum und Einkommen meines Ex-Ehemannes, der nicht der Vater meiner Kinder ist. Meine Jungs sind erst viele Jahre später geboren.
Verständlicherweise „not amused“
Die Väter meiner Söhne zahlen pünktlich und regelmäßig Unterhalt. Dies habe ich natürlich dem Jobcenter gegenüber auch so angegeben. Dennoch musste ich deren Adressen und Geburtsdaten bekannt geben. Des Weiteren sollte ich auch Angaben zu den Einnahmen der Väter machen und zum Arbeitgeber. Selbstverständlich können diese Fragen gestellt werden bei Vätern, die keinen Unterhalt bezahlen. Aber bei denen, die das nachweislich tun, sollte die Kopie des eingegangenen Unterhalts ausreichen. Die Väter meiner Söhne werden auch mit einbezogen und angeschrieben vom Jobcenter, wie gesagt, obwohl sie ihrer Pflicht, zumindest in finanzieller Hinsicht, nachkommen. Man könnte sagen, dass der Vater vom Großen, „not amused“ war, von diesem Brief des Jobcenters. Verständlich. Leider dachte er, ich hätte das bewusst in die Wege geleitet, was natürlich wieder zu Streit geführt hat, obwohl ich für den Brief vom Jobcenter an den Vater gar nicht verantwortlich bin und dies vor allem auch leider nicht verhindern kann.
Androhung von Leistungskürzung
Ich wurde ziemlich kurzfristig vom zuständigen Arbeitsvermittler zum Gespräch ins Jobcenter gebeten, für den 08.05.18. Das hat mich schon etwas irritiert, denn meinen offiziellen Hartz-4-Antrag habe ich erst am 09.05.18 abgegeben. Nun gut. Aufgrund von einem Termin, den ich schon für den 08.05.18 ausgemacht hatte, habe ich mit dem, der Gesprächseinladung beiliegenden Antwortformular, um Terminverschiebung gebeten und dieses persönlich im hiesigen Jobcenter eingeworfen. Ich hatte Bedenken, dass die Bitte um Terminverschiebung, die Behörde per Post nicht mehr rechtzeitig erreicht.
Eine Woche später, am 15.05.18, lag in meinem Briefkasten dann eine Folgeeinladung vom Jobcenter für einen Termin am 18.05.18, mit der Beschuldigung, dass ich am 08.05.2018 unentschuldigt nicht zum Termin erschienen wäre. Des Weiteren beinhaltete diese Folgeeinladung gleich die Androhung einer Leistungskürzung. Der Standarttext lautete hier wie folgt:
Sehr geehrte Frau Funke,
der Einladung zum 08.05.2018 sind sie leider – trotz Belehrung über die Rechtsfolgen – nicht nachgekommen. Sie haben mir bisher auch keinen wichtigen Grund mitgeteilt, der Sie daran gehindert hat, den Termin wahrzunehmen. Ich beabsichtige deshalb, Ihr Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld um den in meinem vorangegangenen Einladungsschreiben genannten Prozentwert des für Sie nach § 20 Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) maßgebenden Regelbedarfs für die Dauer von drei Monaten zu mindern.
Wenn die Post unergründliche Wege geht
Die Folgeeinladung mit dem o. g. Text, war auf den 11.05.2018 datiert und ich hatte die Bitte um Terminverschiebung am 05.05.2018 persönlich in den Briefkasten des Jobcenters eingeworfen. Die Behörde war anscheinend nicht in der Lage, einen, von mir persönlich eingeworfenen Brief, innerhalb von 6 Tagen (05.05 bis 11.05.), dem entsprechenden Vermittler zukommen zu lassen. Da war ich sprachlos und sauer. Wenn ich den Brief mit der Post weggeschickt hätte, wäre ja noch eine Möglichkeit gewesen, dass der Brief verloren gegangen ist. Aber dies war ja nicht der Fall.
Mit krankem Kind ins Jobcenter
Wie es immer so ist, war dann natürlich mein Kleiner krank und ich musste ihn am 17.05.18 mit Fieber aus der Kita abholen. Da ich große Bedenken dabei hatte, den Jobcentertermin nochmals zu verschieben, habe ich den Kleinen am 18.05.18, fiebernd, mit ins Jobcenter genommen.
Im Gespräch mit dem Arbeitsvermittler am 18.05.2018 kam dann heraus, dass das Jobcenter einen Dienstleister beauftragt, der die eingegangene Post zuerst einscannt. Die Mitarbeiter bekommen somit die Unterlagen zeitverzögert. Auf meine Frage, warum der Vermittler dann nicht erst einmal bei mir angerufen hat, um nachzufragen, was los ist, bekam ich von oben herab die Antwort, dass ich ja auch hätte anrufen können, anstatt, mit dem, der Einladung beiliegenden Antwortformular, zu antworten. Klar. Nun bin ich auch noch selbst schuld.
Menschenwürde, davon steht sogar etwas in unserem Grundgesetz
Da ich ja fast 10 Jahre mit Langzeitarbeitslosen gearbeitet habe, zu denen ich nun, da ich ab 01.06.2018 Hartz-4 beziehen werde, auch gehöre, kann ich sagen, dass ich niemals jemandem gedroht habe mit z. B. Abmahnung, bevor ich nicht zumindest versucht habe, mit ihm persönlich zu sprechen. Obwohl der Arbeitsvermittler also wusste, dass die Post zeitverzögert bei ihm ankommt, hat man mir lieber mit Leistungskürzung gedroht, anstatt das naheliegende anzunehmen, nämlich das der Brief noch zum einscannen beim Dienstleister sein könnte. Menschenwürdiges Verhalten geht anders, aber der Jobcentermitarbeiter kann sich anscheinend leisten, menschenunwürdig zu handeln.
Alles neu macht der Mai – nicht bei mir
Im Übrigen konnte mir der Arbeitsvermittler im weiteren Gespräch dann auch keine neuen Möglichkeiten für meine berufliche Zukunft aufzeigen. Mir wurden zwei Vermittlungsvorschläge ausgedruckt für den Bürobereich, auf die ich mich umgehend bewerben sollte.
Eine Bewerbung davon kam zurück mit dem Vermerk, dass die Sendung nicht zustellbar ist obwohl die Adresse richtig angegeben war.
Bewerbung, die als unzustellbar zurück kam.
Die andere führte mich zu einem Arbeitgeber, der an einem Samstag in der Früh um 08.15 Uhr angerufen hat. Der gute Mann, spricht wie Theo Lingen, ohne genauso amüsant zu sein, und das war nicht das einzig kuriose an der Situation. Logischerweise (oder doch nicht?) sind meine Kinder am Wochenende zu Hause und mein Kleiner hat im Hintergrund gekräht, während des 30-Minütigen Telefonates mit dem potentiellen Arbeitgeber. Der Mann, der wie Theo Lingen spricht (so geht er in die Familienanalen ein), hätte am liebsten gehabt, dass ich noch am gleichen Tag (Samstag), also sozusagen umgehend, zum Vorstellungsgespräch erscheine. Ich habe ihm, aus der Not heraus, den Vormittag angeboten, nicht wissend, ob meine Mutter so kurzfristig einspringen kann. Das war ihm aber dann auch nicht recht. Der Herr, der wie Theo Lingen spricht (das müsst Ihr jetzt leider noch öfters lesen, ich kann nicht anders), wollte lieber, dass ich am Nachmittag komme. Dies habe ich dann aber abgelehnt, denn alles was recht ist, aber am Wochenende ist Familienzeit und einen Arbeitgeber, der darauf keine Rücksicht nimmt, will ich sowieso nicht.
Der Mann, der wie Theo Lingen spricht, treibt mich quasi in den Wahnsinn
Schlussendlich haben wir uns dann für den 28.05.2018 verabredet gegen 18.30 Uhr. Da der Mann, der wie Theo Lingen spricht, so beschäftigt ist, war ihm tagsüber kein Gespräch möglich. Ich musste nun also wieder eine Kinderbetreuung für meine Jungs organisieren. Des Weiteren konnte er mir nicht zu 100 % zusagen, dass es wirklich um 18.30 Uhr klappt. Wir hatten daher vereinbart, dass ich um 14.00 Uhr bei ihm anrufe um nachzufragen, ob 18.30 Uhr dann auch wirklich möglich ist. Der Mann, der wie Theo Lingen sprricht, konnte dann um 14.00 Uhr die Aussage treffen, dass ich, eine halbe Stunde früher als gedacht, um 18.00 Uhr, zum Vorstellungsgespräch erscheinen soll. Ach gut. Meine Mutter wurde informiert, dass sie die Kinder daher früher nehmen muss, gegen 17.30 Uhr. Wenn jemand aber denkt, dass es damit gut war, der denkt verkehrt. Der Mann, der wie Theo Lingen spricht, rief um 17.30 Uhr an um mitzuteilen, dass ich nun doch erst um 18.30 Uhr kommen soll. Ha!
Kurz vor der Abfahrt zum Vorstellungsgespräch ein Selfie für Twitter. Ich twittere hier unter @Mamastreikt.
Kann jemand nachvollziehen, dass mich dieser Zeitgenosse, schon vor dem ersten persönlichen Gespräch, quasi, in den Wahnsinn getrieben hat? Genauso verlief dann auch das Vorstellungsgespräch. Davor hatte ich vor allem auch Bammel, denn ich konnte ja nicht damit rechnen, dass um 18.30 Uhr noch viele Mitarbeiter in der Firma sind. Ich stellte mir also vor, ich bin dort mit ihm ziemlich alleine im Büro und das auch noch „jotwede“. Da war keine schöne Vorstellung. Meine Mutter wurde daher von mir gebrieft, dass sie mich anrufen muss, wenn sie nach spätestens 1,5 Stunden noch nichts von mir gehört hat.
Viel Aufregung für nix
Die ersten zwei Vermittlungsvorschläge vom Jobcenter sind somit ins Leere gelaufen. Das mich der Arbeitsvermittler ganz selbstverständlich so von oben herab behandelt hat, obwohl ich gar keinen Fehler gemacht habe und noch nicht einmal im Leistungsbezug war, hat schon mir schon einmal einen Vorgeschmack gegeben, auf das, was auf mich im Hartz-4-Bezug erwartet.
Jobcenter handeln menschenunwürdig, wenn sofort mit Leistungskürzungen gedroht wird, sobald jemand nicht erscheint. Es hat bei mir dazu geführt, dass ich mit einem fiebernden Kind zum Termin erschienen bin, weil ich einfach Angst hatte, vor weiteren Schwierigkeiten. Das darf wirklich nicht sein.
Bitte werdet laut
Wir sind alle im Prinzip nur 12 Monate von Hartz-4 entfernt, da das Arbeitslosengeld I nur 12 Monate läuft, vorausgesetzt man hat 24 Monate einbezahlt in die Arbeitslosenversicherung. Mein letzter befristeter Arbeitsvertrag dauerte nur 15 Monate, daher hatte ich auch nur 6 Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld I und gelte nun schon früher als langzeitarbeitslos. Des Weiteren betrifft diese Situation nun finanziell in erheblichem Ausmaß meine Kinder. Mit dem Großen musste ich in diesen Tagen sprechen und ihm sagen, dass es das Eis im Schwimmbad oder gar in der Eisdiele erst einmal nicht mehr geben wird. Wie das mit den 10 Euro Taschengeld pro Monat wird, weiß ich auch noch nicht. Das war für mich als Mutter ein schmerzliches Gespräch und natürlich musste ich auch in den letzten Tagen und Wochen aufpassen, dass ich mich nicht in meiner Verzweiflung auflöse.
Ich bitte Euch daher, die Petition von Sandra Schlensog auf Change.org zu unterstützen. Sie fordert u. a., dass Kindergeld und Kindesunterhalt nicht mehr auf Hartz-4 als Einkommen angerechnet wird (dies habe ich auch gefordert am 23.04.18 in meinem 1. Blogbeitrag an Hubertus Heil):
https://www.change.org/p/13044692/u/22745263?utm_medium=email&utm_source=petition_update&utm_campaign=329529&sfmc_tk=Nlj2EXcdmMdFK7lIDSRFDlmyQpA6H4%2fwTkTw5zCuk74K9ip%2bxK7ReB%2bkbNrD8ysy&j=329529&sfmc_sub=533132441&l=32_HTML&u=59000432&mid=7259882&jb=241
Dieses Vorgehen fördert Kinderarmut, es hindert an der gesellschaftlichen Teilhabe und das darf von keinem von uns hingenommen werden. Daher meine zweite dringende Bitte an Euch, schreibt dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eine E-Mail (hubertus.heil@bundestag.de), fordert ihn auf, Kinderarmut zu stoppen und sich mit Betroffenen wie z. B. Sandra Schlensog, mir und anderen Langzeitarbeitlsoen an einen Tisch setzen.
E-Mail an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil
Ich habe Hubertus Heil nun auch direkt per E-Mail angeschrieben, wie in meinem Blogbeitrag „Wenn die heimische Gurke zum Luxus wird“ angekündigt, um ihm meine Bewerbungs-unterlagen zukommen zu lassen und ihn um ein Gespräch zu bitten. Herr Heil muss sehen, wie die Wirklichkeit aussieht. Am realitätsfernsten in der Debatte um Hartz-4, finde ich u. a. die Erzählungen von Politikern, in denen es darum geht dass es so viele Familien gibt, in denen mehrere Generationen diese Sozialleistung beziehen. Ich habe in fast 10 Jahren Begleitung von Langzeitarbeitslosen lediglich zwei Familien kennengelernt, in denen tatsächlich zwei Generationen (Eltern und deren erwachsene Kinder) Hartz-4 bezogen haben. Das allein schon zeigt, wie weit weg die Politik von der Realität ist mit ihrer Sichtweise.
Bitte helft mit und schreibt Hubertus Heil per E-Mail an, damit er reagieren muss. Jeder von uns kann in die Lage kommen, Hartz-IV beziehen zu müssen, dies darf nicht in Armut führen. Da unsere Kinder besonderen Schutz genießen sollten und zwar alle Kinder, muss der erste Schritt in eine menschenwürdige Existenzsicherung sein, dass Kindergeld und Kindesunterhalt nicht mehr als Einkommen auf Hartz-4 angerechnet werden. Herzlichen Dank für Euer Engagement.
P.S.: In eigener Sache suche ich Aufträge als virtuelle Assistentin (Infos unter http://www.clairefunke.de). Des Weiteren übernehme ich gerne Projekte als Care-Aktivistin. Das Schreiben von Texten zu verschiedenen Themen gehört auch noch zu meinem Repertoire (z. B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Care-Arbeit, Medizin, Arbeitsmarkt, Essen und Trinken). Extremalleinerziehend würde ich am liebsten im Homeoffice arbeiten, gerne auch festangestellt. Freiberuflich geht aber auch. Andere Arbeitsvariationen sind möglich. Schließlich bin ich flexibel. Meistens. Anfragen nehme ich gerne an unter: info@mamastreikt.de.
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